Wie kommt es zu Essstörungen?

Essen dient der Ernährung und ist eine wichtige Quelle von Genuss. Beide Funktionen können ins Ungleichgewicht geraten: es wird zu viel oder zu wenig Nahrung aufgenommen und der Genuss bleibt aus oder wird einseitig im Essen gesucht, weil es zu wenig Genuss oder Erfüllung in anderen Lebensbereichen gibt.

Wie kann es zu solchen Entgleisungen kommen?
Gesellschaftliche Bedingungen, wie etwa das Überangebot an Nahrungsmitteln und das extrem schlanke Schönheitsideal, spielen eine Rolle ebenso wie eine angeborene Bereitschaft, an einer Essstörung zu erkranken.

Auf der seelischen Ebene können Essstörungen mit vielfältigen Aspekten zusammen hängen. Es stellen sich uns laufend viele Herausforderungen, z.B.:

  • zunehmend unabhängig von den Eltern zu werden und seinen eigenen Weg zu gehen,
  • zu wissen, was man will und wer man ist,
  • für sich allein sein zu können und gleichzeitig Nähe zu wichtigen Menschen aufbauen und halten zu können,
  • sexuelle Wünsche zu erkennen und in das eigene Leben zu integrieren,
  • sich selbst zu akzeptieren und wertzuschätzen auch angesichts von Kritik und Niederlagen,
  • mit schulischen oder beruflichen Belastungen oder gar mit traumatischen Erfahrungen (z.B. sexueller Missbrauch) fertig zu werden,
  • Gefühle wahrzunehmen, zu ertragen und angemessen auszudrücken, z.B. Trauer, Ärger oder Gefühle der Leere.

Werden die Fähigkeiten, derartige seelische Aufgaben zu bewältigen, überfordert, können Essstörungen kurzfristig eine Entlastung darstellen. Die Nahrungsverweigerung kann z.B. Ausdruck des Unabhängigkeitswunsches sein, der Ess-Brech-Anfall von seelischem Druck entlasten, übermäßiges Essen Gefühle z.B. der Einsamkeit oder Überforderung überdecken, die Dauerbeschäftigung mit dem Thema eine Art inneren Halt geben.

Langfristig führen diese „Lösungen“ aber in immer größere Schwierigkeiten, ja schließlich kann die Essstörung sich selbst sozusagen aufrecht erhalten, z.B. wenn zur „Wiedergutmachung“ eines Ess-Anfalls lange nichts gegessen wird, wodurch eine Heißhungerattacke ausgelöst wird, was wieder seelischen Druck aufbaut usw.