Weitere Formen von Essstörungen

Weitere Formen von Essstörungen

Biggerexie

Biggerexie (Muskeldysmorphie), die auch als Adoniskomplex oder krankhafte Muskelsucht bezeichnet wird, ist eine Essstörung, die Männer betrifft. Sie leiden wie Magersüchtige unter einer Körperwahrnehmungsstörung und empfinden sich als nicht muskulös und athletisch genug. Die Gedanken kreisen ständig um den eigenen Körper, das Aussehen wird zum lebensbestimmenden Inhalt.

Im Gegensatz zur Bulimie oder Magersucht steht bei Biggerexie aber nicht der Gewichtsverlust im Vordergrund, sondern das ideale Verhältnis zwischen Fettgewebe und Muskelmasse. Dieses wird mit exzessivem Sport, Diäten oder der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, leistungssteigernden Substanzen, Anabolika oder Diuretika herbeigeführt. Ein Zuviel an Muskeln ist allerdings unerwünscht, wie ein Bodybuilder möchte man nicht aussehen.

Ein weiteres Merkmal der Biggerexie ist, dass die Betroffenen in der Regel versuchen, die Essstörung zu verheimlichen. Der Körper wird vor den Blicken anderer versteckt. Es wird als nicht männlich empfunden, Probleme zu haben oder um Hilfe zu bitten.

Zu den möglichen langfristigen Folgen der Einnahme von Anabolika zählen Krebs, Impotenz, Herzkrankheiten, Brustwachstum, starke Stimmungsschwankungen und Suchtgefahr. Das exzessive körperliche Training kann zu verändertem Blutdruck, Schwindel, Übelkeit, Kollaps, Infektanfälligkeit, Verletzungen im Bewegungsapparat, Leistungsabfall, Gewichtsverlust, Schlaflosigkeit oder Antriebslosigkeit führen.

Ursachen sind wie bei der weiblichen Essstörung im gängigen Schönheitsideal zu finden, im Druck unter Gleichaltrigen und dem Wunsch, durch gutes Aussehen gut anzukommen. Ein geringes Selbstwertgefühl, aber auch Spannungen in der Familie oder Trennungserlebnisse können ein Auslöser für die Erkrankung sein.

 

Orthorexie

Bei der Orthorexie haben die Betroffenen ein übersteigertes Verlangen danach, sich „gesund“ zu ernähren und „ungesundes“ Essen zu vermeiden. Es exisitiert noch kein anerkanntes System zur Diagnose der Orthorexie. Ob es sich hierbei um eine Krankheit oder lediglich um einen besonderen Lebensstil handelt, sollte daran gemessen werden, wie viel Leidensdruck entsteht.

Von einer Erkrankung sollte man ausgehen, wenn die Störung über einen längeren Zeitraum anhält. Die Betroffenen halten eine unausgewogene Diät, in der alle Inhaltsstoffe gemieden werden, die der Patient für ungesund hält. Er lebt in ständiger Sorge, dass ungesunde Nahrung sich negativ auf die physische und psychische Gesundheit auswirkt. Es kommt zu einer zwanghaften und zeitlich aufwändigen Beschäftigung mit gesunder Nahrung, die Gedanken kreisen ständig um das Essen. Der Konsum von „unreinen“ Lebensmitteln löst Schuldgefühle aus. Die Betroffenen entwickeln häufig einen Missionierungseifer, um andere von der eigenen Ernährungsweise zu überzeugen. Sie fühlen sich mit ihrer Lebensweise anderen überlegen. Es kommt zu negativen Folgeerscheinungen wie exzessiven finanziellen Ausgaben für Lebensmittel und sozialem Rückzug oder der Beeinträchtigung des privaten und beruflichen Alltags. Die eingeschränkte und unausgewogene Ernährung führt zur Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit.

 

Night Eating Syndrome

Beim Night Eating Syndrome (NES), deutsch Nächtliches Essen, leiden die Betroffenen unter nächtlichem Heißhunger. Es wird von NES gesprochen, wenn mindestens 25 % der täglichen Nahrungsaufnahme nach der letzten Tagesmahlzeit erfolgt und/oder wenn eine Schlafstörung vorliegt, welche durch Nahrungsaufnahme begleitet wird. Die Schlafstörung kann jedoch ebenso eine Folge des nächtlichen Essens sein. Denn häufig nehmen die Betroffenen kohlenhydratreiche Nahrung zu sich, was zu einer erhöhten Insulinausschüttung und damit weiteren Heißhungerattacken führt.

Betroffene leiden oft unter Anspannung und Sorge um Gewicht und Figur, was zu einer verminderten Lebensqualität führen kann. Nicht selten besteht eine Komorbidität mit Ängsten, Depressionen und Süchten. Nachtesser können durchaus ihr normales Gewicht halten, da sie das Essen tagsüber reduzieren, sind sie jedoch übergewichtig oder neigen zu Übergewicht, verstärkt das nächtliche Essen dieses Problem. Das NES kann sich dann negativ auf Gesundheit und Wohlbefinden auswirken.
Die Ursachen sind noch kaum erforscht. Empirische Studien legen jedoch nahe, dass eine genetische Komponente sowie bestimmte Hormone eine Rolle spielen. Es können aber auch negative Lebenserfahrungen wie Missbrauch oder körperliche Vernachlässigung in der Kindheit vorliegen.

 

Psychogenes Übergewicht

Dem Psychogenen Übergewicht (oder psychogene Adipositas), bei dem es sich im Gegensatz zur Binge-Eating-Störung um kein an sich abgegrenztes Krankheitsbild handelt, liegen in der Regel seelische Ursachen zugrunde. Essen wird genutzt, um unangenehme Gefühle wie Ärger, Langeweile, Traurigkeit oder Einsamkeit zu bewältigen. Die Betroffenen sind häufig äußerst harmoniebedürftig und sensibel und verwenden Nahrung zur Gefühlsregulation oder als Ersatzbefriedigung. Das Übergewicht wird zum Schutzpanzer gegen belastende Ereignisse wie Kritik oder Zurückweisung. Das übermäßige Essen zur Bewältigung unangenehmer Gefühle führt zu hohem Gewicht. Die Betroffenen sind sich der seelischen Hintergründe ihres Leidens meist nicht bewusst und glauben, das Problem mithilfe von Diäten in den Griff zu bekommen. Hilfreich zur Heilung der Essstörung wäre jedoch eine Psychotherapie.

 

Chewing and Spitting 

Bei dieser Form der Essstörung wird die Nahrung nur gekaut und dann wieder ausgespuckt. Ausgelöst wird das Verhalten meist durch den Wunsch, abzunehmen. Die Störung beginnt oft schleichend. Zu Beginn werden beispielsweise nur Süßigkeiten ausgespuckt, später sind es ganze Mahlzeiten. Es kommt zu einem Kontrollverlust, das Verhalten wird zwanghaft. Die Betroffenen schämen sich und suchen daher meist erst sehr spät Hilfe. Es kann zu gravierenden Nährstoffmängeln mit den entsprechenden negativen Auswirkungen auf den Körper und die Gesundheit kommen. Verursacht wird die Störung meist durch einen geringen Selbstwert, Ängste und den Wunsch, Kontrolle zu haben.

 

Sport-Anorexie und Sport-Bulimie 

Von Sport-Anorexie oder Sport-Bulimie spricht man, wenn der Versuch der Gewichtsreduktion durch Sport im Vordergrund steht. Nahrungsrestriktion, Erbrechen oder die Einnahme von Abführmitteln kommen hier tendenziell seltener vor. Das Sportprogramm wird eher zwanghaft durchgeführt und dient nicht der Freude an der Bewegung. Das Nichteinhalten des selbst auferlegten Programms führt zu Schuldgefühlen und schlechter Stimmung. In der therapeutischen Behandlung ist es wichtig, dem übermäßigen Bewegungsdrang entgegenzuwirken und die Betroffenen sollten lernen, eine achtsame Beziehung zum Körper aufzubauen.